Rascheln im Laub: ein Paar Knopfaugen, graubraunes Stachelkleid – kleiner Igel auf der Pirsch… Aufräumarbeiten im Garten: ein rundlicher «Widerstand» – Igel im zerstörten Nest… Heimfahrt bei Nacht: Stachelkugel, plattgewalzt am Straßenrand – Opfer der Zivilisation… So treffen wir Jahr für Jahr Igel im Herbst an, Begegnungen, die aufmerksam machen und das Engagement von Tierfreunden herausfordern. Was können und sollen wir tun?
Nachts ist Igelzeit – dann sind die Stacheltiere unterwegs und Obacht im Straßenverkehr ist geboten: Auf der Suche nach Nahrung und Winterquartieren kreuzen die Igel unvermeidlich Straßen in ihren bis zu 100 Hektar großen Lebensräumen. Die Igel rollen sich nicht zur Stachelkugel, wenn ein Auto naht, wie man früher glaubte. Vielmehr versuchen sie zu flüchten und werden dabei allzu oft von Kraftfahrzeugen erfasst. Vorsichtiges, bremsbereites Verhalten am Steuer im durchgrünten Siedlungsbereich kann Igelleben retten.
Die Lebensräume der Igel sind durch menschliche Eingriffe in die Natur heutzutage zunehmend zerschnitten, die Tiere „müssen“ etwa Straßen überqueren, und kommen in Gefahrensituationen. Sie finden weniger Nahrungstiere wegen der Folgen des Einsatzes von Pestiziden und Insektiziden, und müssen noch weiter wandern, um satt zu werden. Unterschlupf und Nistgelegenheit sind als Folge von Flurbereinigungsmaßnahmen weniger geworden. Igelpopulationen werden durch Straßen-, Häuser- und Wegebau von einander abgeschnitten, das kann langfristig zu genetischen Schäden als Folge von Inzucht führen und möglicherweise die Art gefährden. Gottseidank gibt es inzwischen mancherorts Einsicht und es wird für den Rückbau zerstörter Landschaften, der Lebensräume zahlreicher Wildtiere, einiges getan. In den Niederlanden etwa bemüht man sich seitens der zuständigen Politiker, zerschnittene Lebensräume wieder zu verbinden und zu erhalten. Solcher Einsatz sollte Schule machen, um Igel und andere Wildtiere dauerhaft zu schützen.
Bis in den November hinein sind Igel auf der Pirsch und versuchen, sich ein Speckpolster für den Winterschlaf anzufuttern. Besonders die Jungtiere – 80% der Igelbabys in Deutschland werden im August und September geboren – können in der nahrungsarmen Zeit ein Zubrot vertragen. Im Alter von sechs Wochen werden sie selbstständig, sind aber noch nicht allzu geschickt bei der Nahrungssuche. Anfang November sollten Jungigel jedoch wenigstens 500 Gramm wiegen. Da hilft ein abendliches Schälchen Katzenfutter mit hohem Fleischgehalt die kleinen Bäuche zu füllen – das ist besser, als die Tiere gleich ins Haus zu nehmen. Entgegen dem weitverbreiteten Volksglauben fressen die Stacheltiere kein Obst: Sie klauben lediglich Insekten und Würmer von Äpfeln und anderen Früchten ab.
Die Igel verbringen die nahrungsarme Zeit zusammengerollt und tief schlafend in einem gut wärmeisolierten Nest, das meist kugelförmig angelegt ist. Die Winterschlafnester sind sorgfältig gebaut: Der Igel schafft eine schuppenförmige Struktur, indem er sich nach Zusammentragen des Materials unter Hecken etc. mitten hinein setzt und sich im Kreise dreht, so dass ein warmes, wettergeschütztes, stabiles Gebilde entsteht.
Gärten und Grünanlagen sollte man den Tieren zuliebe möglichst naturnah gestalten und lieber im späten Frühjahr, also nicht im Herbst aufräumen. Dann finden Igel und andere Kleintiere Nistmaterial und Unterschlupf unter Laub, Buschwerk und Hecken. Belassen von Herbstlaub auf und in Beeten und unter Sträuchern sowie Aufschichten von Schnittgut/Reisig in einer Gartenecke sind eine gute Igelhilfe. Zusätzlich kann man künstliche Igelbehausungen fertigen oder kaufen und an geschützten Stellen platzieren. Jeder kann so aktiv einen Beitrag zu Igelhilfe leisten. Außerdem sollte man unter Büschen, Hecken und Bodendeckern nicht mit Geräten wie Laubsaugern, Rasentrimmern und E-Sensen arbeiten: Durch solche Maschinen geschehen immer wieder gerade im privaten Garten grässliche Verletzungen an Igeln während deren Tag- oder Winterschlaf.
Hilfsbedürftige Igel benötigen unsere aktive Fürsorge, fast immer auch tierärztliche Behandlung. Diesen Tieren darf und sollte man helfen (BNatSchG §43). Guter Wille allein genügt jedoch nicht! Der mitleidige Tierfreund sollte sich unbedingt sachkundig machen (TierSchG §2). Igel, die in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorschriften in menschliche Pflege kommen, müssen so bald wie möglich wieder in die Freiheit entlassen werden. Erreicht ein Igel das für den Winterschlaf in der Natur ausreichende Körpergewicht jedoch erst, wenn der Winter bereits hereingebrochen ist und man kann den stachligen Gast nicht mehr auswildern, dann soll er auch in häuslicher Obhut winterschlafen. Dafür spricht vieles: Der Winterschlaf entspricht dem Biorhythmus des Igels, er entschärft die Zeit der Gefangenschaft für das Tier, bereitet es bei richtiger Unterbringung auf die natürlichen Bedingungen in der Natur vor und schafft zugleich die wünschenswerte Distanz des Wildtiers vom Pfleger.
Während der akut notwendigen Pflege kranker und/oder Auffütterung untergewichtiger Igel müssen die Tiere im Warmen untergebracht sein! Jeder Igel sollte ein etwa 2 qm großes Gehege mit Schlafhaus für sich allein haben. Auch Wurfgeschwister soll man trennen, wenn sie selbstständig fressen. Einzelhaltung gilt auch für den Winterschlaf: Igel sind Einzelgänger, bei Gruppenhaltung gibt es oft gefährliche Beißereien. Ein stabiles Tier siedelt man mit ausreichendem Gewicht aus der Wohnung oder dem geheizten Keller in ein Winterschlafquartier bei Außentemperaturen um. Jungtiere sollten 500-650 g wiegen, Altigel um 1000-1200 g. Der Igel muss natürlich gesundet und therapeutische Maßnahmen abgeschlossen sein.
Das Igelgehege als Winterschlafquartier gehört an einen Standort mit Außentemperaturen, sonst fällt der Igel nur in einen kräftezehrenden „Dämmerschlaf“, in dem er überproportional abnimmt, da er weder fressen noch wirklich winterschlafen kann. Ein ungeheiztes Zimmer, ein ausbruchssicherer Balkon, ein Gartenhaus oder geschützt platziertes Freigehege im Garten sind empfehlenswert. Kellerräume sind meist zu warm und daher ungeeignet. Ist der gewählte Ort wettergeschützt, genügt es, das bisher benützte Schlafhäuschen in einen größeren Karton mit deckungsgleichem Schlupfloch zu setzen, ansonsten nimmt man besser ein Holzhäuschen. Zwischen beiden Häusern, sowie oben und unten, wird am besten mit zerknülltem Zeitungspapier isoliert. Nachdem man den Igel in sein Winterquartier gebracht hat, füttert man ihn weiter, bis er das Futter nicht mehr anrührt. Bis dahin können Tage, manchmal Wochen vergehen. Schläft der Igel, befestigt man ein Stück Toilettenpapier vor dem Schlupfloch des Schlafhauses. Bei der täglichen Kontrolle ist dann sofort ersichtlich, ob der Igel erwachte und das Haus verlassen hat. Ein Schälchen Wasser und eine Notration Trockenfutter sollte immer bereit stehen.
Wenn der Igel im Frühjahr abgemagert erwacht, muss man ihn mit eiweißreicher Kost auffüttern. Innerhalb von 2 bis 3 Wochen erreicht er meist das Gewicht, das er vor dem Winterschlaf hatte. Das Aussetzgewicht von Jungigeln sollte ca. 700 g betragen, das von Altigeln entsprechend höher um 1000 g. Dann ist ein anfänglicher Gewichtsverlust nach der Auswilderung leicht zu kompensieren. Ideal ist es, wenn besonders junge Igel ohne Erfahrung bei der selbstständigen Nahrungssuche die Zeit bis zum Aussetzen in einem Freigehege verbringen dürfen. Sie können dort ihre Muskeln trainieren und auch schon etwas natürliche Nahrung finden, was die Eingliederung in die Natur erleichtert.
Nicht jeder Igel braucht Hilfe – aber jede Hilfe muss richtig sein! Wie aber kann der Finder eines Igels dessen Zustand richtig einschätzen? Unter www.pro-igel.de kann man sich bei Pro Igel e.V. umfassend im Internet informieren und an info@pro-igel.de Fragen richten. Der Verein bietet außerdem mit dem Ansagedienst «Igel-Hotline» 01805-555-9551 rund um die Uhr jahreszeitlich aktuelle Tipps zum Thema «Igel gefunden – was nun?».
Autorin: Ulli Seewald, Münster (Westf.), Vorsitzende Pro Igel e.V.